„VERSTEHEN SIE IHREN HUND!“

Der Thüringer Tierflüsterer Heiko Steinmann lädt zum Hundeseminar nach Friedrichroda

von Michael Steinfeld aus Erfurt

erschienen bei www.meinAnzeiger.de (Originalartikel)

Heiko Steinmann arbeitet als Tierflüsterer. Mit einem Hundeseminar kommt der gebürtige Thüringer am Wochenende nach Friedrichroda. AA-Redakteur Michael Steinfeld erklärt er zuvor seine Philosophie.

Tierflüsterer – heißt das, Sie können mit Tieren sprechen?
Nein, bestimmt nicht. Dies ist anders gemeint. Nicht ich rede mit den Hunden oder Pferden, sondern ich verstehe die feinen Zeichen der Tiere. Der Begriff geht auf ein altes indianisches Sprichwort zurück: „Der gute Reiter hört sein Pferd reden, der bessere hört es flüstern.“

Und wie funktioniert das?
Indem man sich auseinandersetzt mit der Sprache und Kommunikation der Tiere. Ich lebe jetzt seit 35 Jahren mit Hunderudeln zusammen. In dieser Zeit lernt man, Hunde zu lesen. Also: Wie klärt ein Hund innerhalb seines Rudels sein Problem mit anderen Hunden? Denn genauso sollten wir es eigentlich auch tun, wenn wir Probleme mit ihm haben. Und nicht immer nur versuchen, Hunde über Unterwerfung und Unterordnung zu kontrollieren, sondern zu schauen, wo denn ihre Probleme liegen.

Und wo liegen sie?
Wenn ich ganz ehrlich sein soll: Meistens liegt das Problem am anderen Ende der Leine – beim Menschen. Weil im Rahmen der Erziehung das eine oder andere falsch gelaufen ist und man seinen eigenen Hund nicht richtig lesen kann. Und da sehe ich meine Aufgabe, den Leuten zu vermitteln, ihre Hunde besser zu verstehen.

Auf welche Probleme stoßen Sie am meisten?
Im Idealfall versuche ich, die Hundehalter anzusprechen, die noch gar keine Probleme haben, oder Leute, die noch keinen Hund haben und erst planen, sich einen zu kaufen. Denn Prävention ist für mich das Wichtigste. Zum Beispiel kommt der Border Collie jetzt wieder in Mode. Doch das ist kein Familienhund, der braucht fünf, sechs Stunden Beschäftigung am Tag. Wenn man ihm das nicht bieten kann, dann ist das kein gutes Leben für den Hund. Welche Probleme es letztlich sind, ist eigentlich egal – ob nun beispielsweise Aggression oder Angst. Wenn Hunde ängstlich sind, ist das aber am schwierigsten zu therapieren. In 80 Prozent der Fälle, in denen Hunde aggressiv sind, resultiert das Verhalten aus Angst.

Wovor haben Hunde denn Angst?
Der Hund kommt mit einer gewissen Grundskepsis auf die Welt. Das meiste hat er vom Wolf geerbt, der auch kein Draufgänger ist, sondern eigentlich zurückgezogen lebt. Wenn man jetzt mit Welpen oder jungen Hunden das eine oder andere falsch macht, viele Zeichen der Hunde nicht deutet, ihre Beschwichtigungssignale nicht sieht und die Tiere an der falschen Stelle bestraft oder belohnt, dann kommt es zu Missverständnissen, die bei Hunden schnell in Angst oder einer übertriebenen Vorsicht enden. Wenn ein Hund vor Angst in die Enge getrieben wird und man ihn im guten Glauben beschützen will, kann es vorkommen, dass man gebissen wird.

Nie zu alt

Sind einige Ihrer Kursteilnehmer mit ihrem Latein bereits am Ende?
Das ist oft das Problem. Ich bin Tierheilpraktiker und habe seit 25 Jahren eine Kleintierpraxis. Leider wird die Welpenberatung viel zu wenig in Anspruch genommen. Viele kommen zu mir als letzte Hoffnung, um das Tier nicht wieder abgeben zu müssen. In 95 Prozent aller Fälle finden wir eine Lösung.

Zum Workshop bringt man seinen Hund mit. Verstehen sich die Tiere denn untereinander?
Nicht gleich am Anfang. Das hängt auch davon ab, wie weit sich die Hunde sonst auch mit anderen Hunden beschäftigen. Ich lege immer Wert darauf, dass sie mitgebracht werden, auch schon zu den Vorträgen. Dann kann man am konkreten Problem arbeiten. Das ist die Grundphilosophie, nicht pauschalisiert zu arbeiten, sondern immer individuell. Hund ist nicht gleich Hund. Wir haben über 400 verschiedene Hunderassen und jede hat eine andere Bestimmung und Bedeutung gehabt in der Vergangenheit. Insofern sind ihre Instinkte unterschiedlich ausgeprägt. Ein Windhund ist kein deutscher Schäferhund. Und: Wir müssen Hund und Halter wieder zusammenbringen. Nur dann werden beide glücklich.

Reicht dazu ein Wochenende?
Nein. Es ist ein Anfang, eine Basis, auf der man selbst aufbauen kann. So gestalte ich auch mein Training. Ich erkläre den Leuten, wie sie es selber machen können. Kinder gibt man auch nicht ab zum Erziehen.

Ist ein Hund irgendwann zu alt, um noch dazuzulernen?
Nein. Der Extremfall war ein 16 Jahre alter Hund, mit dem wir gearbeitet haben. Er hat seine Aggressivität noch im hohen Alter abgelegt. Je jünger die Hunde sind, desto besser ist es natürlich.

Wie oft bekommen Sie zu hören: Das ist doch nur Hokuspokus?
Das höre ich natürlich. Mit solchen Äußerungen muss ich mich auch auseinandersetzen. Was sehr schade ist: Ich reise seit zehn Jahren kreuz und quer durch Europa und geben diese Workshops. Ich biete dann auch immer wieder eine Podiumsdiskussion an mit Hundetrainern aus der Region – über moderne Hundeausbildung und über aktuelle Studien. Leider ist in Deutschland noch nicht ein einziges Mal jemand der Einladung gefolgt. In Österreich, in der Schweiz und in Schweden wird es hingegen angenommen – und das ist auch für mich sehr interessant, denn das ist eine Erweiterung des Horizonts, viele Meinungen zu hören.

Sie ermuntern: Werden Sie selbst ein Tierflüsterer. Vermitteln Sie in Ihren Workshops, wie das funktioniert?
In den Workshops vermittele ich jedem Halter, wie er mit seinem Hund klarkommt. Darüber hinaus gebe ich eine Art Ausbildung, damit jemand über längere Zeit von drei Monaten bis zu einem Jahr das richtig erlernen kann, um beispielsweise später selbst in diesem Beruf zu arbeiten.

Wo haben Sie selbst Ihre Kenntnisse erworben?
Seit ich die Augen geöffnet habe, lebe ich in Hunderudeln. Mein Großvater hat schon Hunde gezüchtet. Durch Beobachtung in den vielen Jahren und die Zusammenarbeit und Weiterbildung mit vielen Trainern entwickelt sich einfach so etwas. Derzeit habe ich mit zehn Hunden ein starkes Rudel, mit dem ich lebe.

Jeder, der mag, darf sich einen Hund zulegen. Für Sie die falsche Regelung?
Ich bin ein Freund eines Hundeführerscheins. Wie man den nun genau bezeichnen will, ist egal. Aber ehe man sich einen Hund anschaffen darf, sollte man sich mit dem Grundwissen versorgt haben. Die Hunde sind immer das schwächste Glied in der Kette und wenn etwas passiert, werden sie zur Verantwortung gezogen. In den meisten Fällen entstehen Probleme nicht, weil der Hund dies so wollte, sondern weil er falsch erzogen wurde. Es wird falsch mit ihm umgegangen.

Heiko Steinmann - der Tierflüsterer
Heiko Steinmann - der Tierflüsterer